Samstag, 12. September 2015, Hongkong
Der Aufenthalt in Chennai und damit Indien ging schnell vorbei. Dienstag bis Donnerstag galt es Abschied zu nehmen und zu packen. Sowohl am Dienstag als auch am Donnerstag sind wir noch einmal ins Projekt nach Perungudi gefahren. Am Dienstag haben wir vier neue Studentinnen des Stella Maris College for Social Work kennengelernt. Die vier werden bis März zwei bis drei Tage pro Woche im LEED ein Praktikum machen und dabei eigene Projekte planen und durchführen, als auch beim ordentlichen Programm mitwirken.
In der Stadt sind überall, und ich meine wirklich überall, d.h. an jedem Pfeiler einer Autobahn, an jeder Strassenecke Plakate der Chiefministerin Jayalalitha aufgehängt, darauf immer prominent ihr Antlitz. Die Plakate werben für ein Investorsmeeting das im Moment während zwei Tagen stattfindet. Das Meeting wurde mehrere Male verschoben, da Jayalalitha über eine gewisse Zeit wegen Korruption im Gefängnis war. Die Strassen, welche die Delegierten in der Nähe des Flughafens benützen werden, sowie die Strasse, die zum Wohnsitz von Jayalalitha führen wurden herausgeputzt, die Randsteine neu gestrichen und alle 10 Meter ein Fähnchen der Regierungspartei aufgestellt. Wenn Jayalalita sich in der Stadt bewegt, werden die Strassen für Sie gesperrt. Alle 20 Meter stehen dann auf beiden Strassenseiten PolizistInnen. Jayalalitha nennt sich selber Amma, d.h. Mutter. Alles wird nach ihr benannt. So gibt es Amma-Wasser, das ist günstiges Mineralwasser, oder Amma-Busse, Amma-Canteen (günstiges Essen), Amma-Velos, Amma-Kochherde, Amma-Fernseher, Amma-Kühlschänke und Amma-Laptops.
Der Freitag war ein Reisetag. Schon am Donnerstag gegen 21 Uhr fuhren wir zum Flughafen. Die Formalitäten werden mit drei Stunden veranschlagt. Es gab auch eine kurze Verzögerung, da ein stehengelassener Aktenkoffer aufgebrochen werden musste. Dazu wurde ein Teil des Checkins abgesperrt. Ein gepanzerter Polizist hat dann mit Hammer und Stechbeutel den Koffer geöffnet. Es waren nur Kleider drin. Ich konnte alles aus etwa 20 Metern beobachten. Mit Tigerair, einer Billigfluglinie ging es dann weiter nach Singapore. Hier hatte ich in einem herausgeputzten Flughafen, der den vollen Service bietet, rund fünf Stunden Aufenthalt. Für umgerechnet 20 Franken leistete ich mir eine Hünersuppe und ein Tiger-Bier. Die übriggebliebenen 4 Singapur-Dollar investierte ich in einen Grüntee auf dem Weiterflug nach Hongkong.
In Hongkong angekommen galt es sofort einiges zu erledigen. An einem Bankomaten bezog ich Hongkong-Dollars. An der Metrostation kaufte ich eine Octopuskarte, mit der man den öffentlichen Verkehr benützen kann. In einem 7/11 (so etwas wie Kiosk) besorgte ich mir eine lokale Simkarte. Zur Zeitverschiebung von Indien gegenüber der Schweiz sind nun noch einmal zweieinhalb Stunden hinzugekommen, d.h. es sind nun 6 Stunden. Die Busstation liess sich leicht finden. Hier stehen alle gerne Schlange. Mit einem Doppeldeckerbus fuhr ich dann vom Flughafen etwa 45 Minuten nach Shantin. Der Taxstand in Shantin war dann schon schwieriger zu finden. Vom Busbahnhof bin ich eine Rolltreppe hochgefahren und befand mich in einem riesigen belebten Einkaufszentrum. Ich ging etwas herum, dann andere Rolltreppen wieder herunter bis ich einen Wegweiser zum Taxistand gefunden habe. In Honkkong muss man sich nicht nur horizontal, sondern auch vertikal orientieren können, habe ich gelernt.
Dem Taxifahrer habe ich den Zettel mit der Adresse und Wegbeschreibung vom Tao Fong Shan Christian Center in Kantonesischer Schrift unter die Nase gehalten. Er konnte kein Englisch. Er hat sich die Brille aufgesetzt, damit er den Zettel lesen konnte, hat dann etwas gemurmelt und ist losgefahren. Es ging rasant in vielen Kurven den Berg hinauf. Dann hat er mich vor einem Tor ausgeladen. Es war schon ziemlich dunkel. Ob ich wohl am richtigen Ort bin? Na ja, so habe ich den Koffer hinter mir her schleppend mich auf den Weg durch die Einfahrt gemacht. Ich kam zu einem Parkplatz mit Gebäuden dahinter. Am Eingang hat mich Herr Pradip Wong schon erwartet. (Sicher hat er mich auf einer Kamera gesehen) Da ich spät dran war, waren alle Büros geschlossen und Herr Pradip hat mich zu meinem Zimmer in einem Haus im Wald einige Treppen unterhalb des Tao Fong Shan begleitet. Das Zimmer ist eine kleine Zelle mit Air Condition. Im Haus gibt es eine Stube, Küche, WCs und Duschen. Heute bin ich der einzige Gast. Das war schon ein wenig unheimlich, plötzlich allein an einem fremden Ort. Zum Glück habe ich auf dem Schlüsselanhänger das Passwort für das Internet gefunden.
Die Aussicht aus dem Zimmer ist unvergleichlich. Ich sehe grüne Hügel und davor zahllose Wolkenkratzer. Am Morgen dann pünktlich um 8 bin ich ins Center hochgegangen. Vor dem Center haben einige ältere Menschen unter Anleitung Tai Chi geübt. Ich habe dann einen grossen Raum mit Tischen und Stühlen gefunden. Niemand war da, und ich habe auch niemanden gehört. Aber auf einem Tisch gab es ein Schild mit meinem Namen und der Bitte das Geschirr nach dem Essen doch bitte abzuräumen und ein Gedeck. Auf einem anderen Tisch waren Frühstücksutensilien bereitgestellt: Zwei Scheiben Käse im Plastik, vier gekochte Eier, verschiedene Müesli, kalte Milch und Soyamilch, zwei aufgeschnittene Orangen, Tostbrot, daneben ein Toster. Verschiedene Pulver daneben heisses Wasser. Auf einem anderen Tisch war noch ein Schild in kantonesischer Sprache und ein Gedeck. So habe ich dann nur die Hälfte des Angebotenen zum Frühstück genommen. Etwas später kam dann noch eine Frau. Sie hat sich dann die andere Hälfte geschnappt und hat sich damit in eine Ecke des Saals verdrückt. Gesprochen haben wir nicht miteinander. Wie geheissen, habe ich also das Gedeck abgeräumt und bin wieder in mein Zimmer zurückgegangen.
Etwas später ging ich dann nochmals hinauf. Jetzt habe ich in einem Büro zwei Menschen angetroffen. Dort konnte ich erfahren, wann es Mittagessen und Abendessen gibt und wann Dr. Tong, die Leiterin der Bridge und Dialog Division (Brücke und Dialogabteilung) wohl wieder da sein wird, nämlich am Montag.
Dann habe ich mich zu Fuss den Berg hinunter gewagt und bin in das grosse Einkaufszentrum gegangen. Dafür hat man normalerweise etwa 20 Minuten, doch habe ich mich etwas verlaufen, deshalb ging es länger. Im Einkaufszentrum habe ich in einem 7/11 etwas zu trinken gekauft und bin etwas herumgeirrt. Die meisten Läden öffnen normalerweise erst so gegen 11 Uhr. So war vieles noch geschlossen. Ein französisches Frühstücksrestaurant aber schien schon übervoll mit Leuten. In einem Telefonladen habe ich dann noch eine Powerbank für mein Händy und ein Billig-Telefon für den lokalen Gebrauch eingekauft. Der Verkäufer war sehr freundlich und hat mir die schon gestern gekaufte Simkarte gleich eingesetzt. So bin ich nun auch lokal gut erreichbar.
Den Weg vom Einkaufszentrum zurück ins Haus habe ich problemlos gefunden, nur war ich total verschwitzt. Im Haus waren zwei Frauen mit Putzen beschäftigt. In der Zwischenzeit haben sie auch mein Zimmer gereinigt, obwohl es sauber war. Zum Mittagessen hatte es mehr Leute. Da war zum Beispiel eine Frauengruppe, die wohl hier das Wochenende verbringt. Doch ich war wieder alleine gesetzt und habe so meine Suppe und meinen Teller mit Gemüse, und Poulet mit Reis gegessen.
Nach dem Essen hat mich Tobias Brandner auf dem lokalen Händy erreicht. Wir haben nochmals für morgen abgemacht.
Den Nachmittag habe ich verschlafen und jetzt meinen Blog geschrieben.